Durchatmen, und nicht gleich wieder losdonnern. Wir brauchen kein Erbarmen und nein, wir tragen auch keine jämmerlichen Opfermäntel, schon gar keine hässlichen braunen. Wir tragen ein dickes und gesundes Fell, wir tragen es mittig, verdecken und verschleiern gar nichts und schreiten durch gesunde Gedankenwelten. Ohne Ausgrenzung und Hass. Und ja, es fühlt sich gut an, weit aus besser als man meinen könnte.
Ein Leben zwischen Liebe und Verachtung, zwischen Wind, Sonne und Regen strengt zwar an, aber es macht nachweislich gesund und glücklich. Es härtet ab und es lässt vor allem eines zu, in stillen Momenten viel Zeit zum Nachdenken. Der Wille mit unseren Liedern lieber „Opposition“ als „Regierung“ zu sein war unser eigener. Also keine Schuld an niemanden. Es gab keinen Zwang, keine Vorgabe, kein nichts, aber eben Gegenwind. Dieser wurde selbst angepeilt und auch schnell gefunden. Wir wollten nicht die nächste schnell austauschbare Band „XY“ sein, nein, wir wollten für Gesprächsstoff sorgen, eben gehört werden. Reibung, Lärm, Aufregung - alles Dinge, die einer Rockband heute genauso gut stehen wie den Sex Pistols, den Stones von damals. Wir wollten von Anfang an für uns sinnvolle Lieder aus unserem Leben, unserem Herz, unserer Erfahrung machen. Wollten nie an irgendeinen Scheiß angepasste Texte verfassen, die nicht unsere Gedankenwelten zeichnen. Am Ende kann man sagen: Wir wollten schon immer eine Band sein, die sich lieber der abweichenden Musikkultur anschließt, als der klassischen Gesellschafts-Musik. Frei und gegen das Establishment.
Ja ... und dann kam die Kunst ... und wir waren plötzlich mittendrin.
Was ist in und was ist out? Was gehypt und was gehasst? Wo liegen die Minenfelder? Wo die Katapulte nach oben? Politische vermeintlich nicht korrekte Aussagen? Brandgefährlich. Wen sollte man gut finden und wen auf keinen Fall? Wem tritt man auf die Füße und mit wem tanzt man lieber? Alles Dinge, die wir nicht verstanden und ehrlich gesagt auch heute nicht verstehen können. Dabei wäre es im Grunde so verdammt einfach: Jeder sagt was er fühlt, was er denkt und was er eben nicht denkt. Mit allen Konsequenzen, die dazugehören. Jedenfalls ist der derzeit in Deutschland verbreitete Kunst-Freiheit-Gedanke nicht der, der sich mit dem unserem vereinbaren lässt. „Was alle sagen, will ich hinterfragen“ hieß es mal, und nicht „was alle machen, tue ich auch“.
Kunst sollte frei sein. Frei von Denkverboten, frei von Vorgaben, frei von medialer Erwartung, frei von allem. Und natürlich muss sie sich im Rahmen des Grundgesetzes befinden. So lernten wir es von klein auf und so wandten wir unsere Kunst an. Ob es einem passt oder nicht, Kunst darf, Kunst sollte, Kunst muss sogar manchmal weh tun. Sie sollte sich von anderer Kunst unterscheiden. Inhaltlich auf jeden Fall. Und sie sollte vor allen Dingen NIE nur einer Denkweise, einer Richtung entstammen. Viele Menschen bringen viele Erfahrungen ein! Viele Meinungen bringen Vielfalt! Und Vielfalt ist es, die die Kunst wirklich frei macht.
Leute, über Kunstfreiheit zu diskutieren ist manchmal wie durch Stacheldraht zu klettern. Es ist schwer ohne Verletzung durch zu kommen. Ja, insbesondere dann, wenn die eigenen Ansichten oder Themen nicht denen der (zumindest so verkauften) Mehrheit entsprechen. Diese entspringt eben zu großen Teilen der oben genannten klassischen Gesellschafts-Musik. Und dennoch, auch das gilt es auszuhalten, egal wie sehr man sich ärgert.
Jedenfalls achten wir das gesetzliche verankerte Verbot „auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeiten einzuwirken“ sehr. Vom künstlerischen Wirkungsbereich ganz zu schweigen. Jeder sollte auftreten wo und wie es ihm gefällt. Ohne Moralpolizisten und Sittenwächter. Dafür gibt es Gerichte und schließlich die Fangemeinde, die die Leistung honoriert oder abstraft.
Eines ist Fakt: Es gibt in Deutschland viele, die sich für Kunstfreiheit stark machen, diese bei anderen aber mit mehr als harten Lederstiefeln zu Brei treten. Ja, es scheint sie wieder zu geben, die Kategorien „Geartete Künste“ und "Entartete Künste". Wir rocken lieber in der Letzteren! Aber zur Erklärung:
- Von Künstlern angezündete Frei.Wild-Fahnen auf der Straße? Kennt man woher, oder?
- Rausschmiss von Frei.Wild-Shirt Trägern aus den Konzerten? Moment, war da nicht was?
- Frei.Wild Auftrittsverbots-Forderungen von anderen Bands? Auch schon mal da gewesen.
- Druckausübung auf Läden unsere Platten raus zu nehmen? Sehr elegant.
- Künstler-Allianzen verhindern Frei.Wild-Konzert? Die ganz feine englische Art.
- Musiker gehen gewaltsam auf Frei.Wild-Fans los? Das ist also Menschlichkeit ...
Ohne Scheiß, manche Musiker stellen sich (zu Recht) gegen Faschismus, tun wir auch. Sie erkennen aber nicht, dass sie ihn schon lange selber leben. Und das in seiner reinsten und ekelhaftesten Form. „Mit uns oder gegen uns“, „Ran an den Feind“, „Verfolgt, vernichtet sie“, „Verbrennt ihre Werke“. Das ist keine Demokratie, auch keine freie Kunst, das ist „Geartete gegen entartete Kunst“. Leute, es ist beschämend und traurig zugleich.
Ob ihr es glaubt oder nicht. Aber die Geschichte wiederholt sich. Unsere Bilder und Bücher brannten noch nicht, aber die Art des Agierens gegen Musiker, die einem nicht passen, lassen keinen anderen Schluss zu als zu sagen, es ist ein verdammt gefährlichen Weg, auf dem gegangen wird. Ein Weg, der schlimmer nicht enden konnte.
Das „Wir die Guten und ihr die Schlechten“-Spiel scheint jedenfalls wieder attraktiv geworden zu sein. Von Kunstfreiheit zu singen, aber anderen Grenzen zu bauen, sie zu jagen und zu verfolgen führt in eine enorm gefährliche Sackgasse. In eine Sackgasse, der gleichgeschalteten und überwachten Kunst, die nicht von Vielfalt, von Mut, von Freigeistern, von Lust auf Diskussionen lebt, sondern von gegenseitigen Schulterklopfern. Von auf den Mehrheitszug-Springern, von Feigheit und Einfallslosigkeit, von Soldaten an Mikrophonen und Gitarren. Von einer „Wer nicht mit uns, der wird bekämpft“-Kultur.
Was bleibt zu sagen?
Haltet die Augen offen und lasst die Toleranz leben. Schenkt der Kunst gigantische und mutige Flügel, keine Grenzzäune, keinen Stacheldraht, keine Wächter, Jäger oder Regierungs-Beauftragte. Denn, „Geartete Künste hatten wir schon“.
Bleibt ENTARTET!
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